Wie Sie die Top Talente finden und für Ihr Unternehmen gewinnen

Die Suche nach neuen IT Talenten gestaltet sich für Recruiter und ganze HR-Abteilungen sprichwörtlich wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Große und kleine Unternehmen stehen vor demselben Problem: Bewerber, die über den eigenen HR-Bereich oder bezahlte Stellenanzeigen kommen, sind nicht qualifiziert genug. Oder – noch schlimmer – es trudeln gar keine Bewerbungen ein. Selbst die, im Employer Branding führenden Unternehmen kennen dieses Problem.

Alle zerbrechen sich über die selbe Frage den Kopf

Wie schaffen wir es, dass die besten Developer zu uns kommen und nicht zur Konkurrenz gehen?

Wie man Top Talente erkennt

Um diesen Wunsch erfüllen zu können, muss zuerst ergründet werden, welche Qualitäten ein solches Talent – einen A-Player – überhaupt ausmachen. Dazu schlagen Geoff Smart und Randy Street in ihrem Buch „Who: The A Method for Hiring“ folgende Definition vor:

„Ein A-Player ist ein Kandidat, der eine 90%ige Chance hat, unter die Top 10% der Mitarbeiter zu kommen.“

Diese Definition enthält 2 wichtige Komponenten, die einen solchen A-Player prägen: Zum einen die Veranlagung überhaupt zu den besten 10% gehören zu können und zum anderen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dies in der konkreten Position erreichen zu können.

Wie viele Frösche glauben Sie, müssen Sie küssen, bevor sich Ihr Wunsch vom A-Player erfüllt?

Hier die traurige Wahrheit: Jeff Hyman belegt in seinem Buch „Recruit Rockstars – The 10 Step Playbook to find Winners and ignite your Business“, dass einer Studie des IQ Leadership zufolge 46% der Neueinstellungen nach 18 Monaten nicht mehr im Unternehmen sind und nur 19% (!) der Neueinstellung, die an sie gesetzten Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen und somit ein eindeutiger Einstellungserfolg sind. Ja, Sie lesen richtig: mickrige 19%.

Die Statistik verrät aber eine weitere traurige Wahrheit: 35% entpuppen sich als B-Player. Sie würden diese zwar nicht noch einmal neu einstellen – aber wo sie doch schon mal da sind…

Warum aber brauchen Sie gerade A-Player? Können Sie den Performance-Gap nicht auch einfach durch Trainings und gute Schulungen kompensieren? Nicht wirklich! Denn diese zu gestalten ist ebenso schwierig. So schwierig, dass eine Studie von Tim Baldwin und Kevin Ford schlussfolgerte, dass in den USA zwar hunderte Millionen jedes Jahr für Trainings ausgegeben werden, aber tatsächlich nicht mehr als 10% dieser Ausgaben als Transfer am Arbeitsplatz ankämen. Eine Studie von Scott Tannenbaum und Gary Yukl kam sogar zum Ergebnis, dass überhaupt nur 5% das Gelernte auch tatsächlich anwenden. Laszlo Bock stellte für Google fest, dass es beinahe unmöglich sei, einen durchschnittlichen B-Player in einen A-Player zu verwandeln. Ihre Chancen stehen daher eher schlecht.

Gerade aus diesem Grund haben die großen Unternehmensgründer, Leader und Führungskräfte immer schon der Suche nach Talent ihre größte Aufmerksamkeit gewidmet. Jack Welch – vom US-Magazin Fortune zum „Manager des Jahrhunderts“ gekürt und von vielen als der beste Manager aller Zeiten bezeichnet – und sein Protegé Larry Bossidy sind etwa dafür bekannt, dieser Suche oberste Priorität und die Hälfte ihrer Zeit gewidmet zu haben.

Was haben alle A-Player gemein? Sie sind ambitioniert, wollen stetig lernen und besser werden. Ein A-Player ist jemand, der von früheren Arbeitgebern begeistert wiedereingestellt werden würde und zu dem seine ehemaligen Teammitglieder Jahre später immer noch aufschauen und ohne zu zögern zu einem neuen Unternehmen nachfolgen würden. Sie brauchen ihm keine Aufgaben aufdrängen, denn er sucht sich stets neue Herausforderungen. Er erfindet keine Ausreden, sondern immer einen Weg, um seine Arbeit zu erledigen und Ihr Unternehmen voran zu bringen. Probleme zu lösen, ist das tägliche Brot des A-Players. Er denkt nicht nur outside the box, er fragt sich vielmehr, warum es eine Box überhaupt geben muss.

Die Chancen einen A-Player einzustellen, werden durch einen Umstand geschmälert: Das gesamte Einstellungskonzept unterliegt einem Gedankenfehler. A-Player tummeln sich nicht auf Jobbörsen und lesen keine Stellenanzeigen. Denn: Sie haben bereits einen Job. Haben Sie es vergessen? Es sind A-Player.

Immer wieder berichten Kandidaten Headhuntern davon, dass sie sich – trotz langjähriger Berufserfahrung in verschiedensten Unternehmen – noch niemals auf eine Stelle beworben haben. Die Stellen seien ihnen stets „zugetragen“ worden.

Fakt ist

Die besten Talente bewerben sich nicht. Sie werden gefunden.

Wie man Top Talente findet

Sie wissen sicher schon, dass ein wichtiger und äußerst effektiver Weg ist, Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld von bestehenden Mitarbeitern zu generieren.

Pat Ryan sagte einmal, er frage jedes Mal, wenn er jemanden Neuen treffe: „Wer sind die am meisten talentierten Menschen, die Sie kennen, die ich einstellen sollte?“ Wenn Ihnen nicht von überall bereits Talente empfohlen werden, dann probieren Sie diesen Tipp doch einmal aus!

So wichtig Empfehlungen von außerhalb Ihres Unternehmens sein können, nichts stellt eine bessere Strategie dar, als die Empfehlungen der eigenen Mitarbeiter. Denn wer kennt Ihre Unternehmenskultur und die darin gelebten Werte besser als diese?

A.     Mitarbeiterempfehlungen

Employer Branding nennt sich das Trendwort der Stunde. Hinter den vielen blumigen Worten und Videos steckt aber eigentlich nur eines: Zufriedene Mitarbeiter werben neue Mitarbeiter. Und seien Sie mal ehrlich? Wenn Sie Ihrem besten Freund die eigene ausgeschriebene Stelle nicht wärmstens ans Herzen legen würden, warum sollten es dann Ihre Mitarbeiter anders halten? Grundvoraussetzung ist daher, dass Sie eine Unternehmenskultur schaffen, die Ihre Mitarbeiter nichts anderes tun lässt als, in die Welt hinauszugehen und lauthals zu schreien: „Ich arbeite im besten Unternehmen der Welt, komm schließ Dich uns an!“

Vermitteln Sie, dass jeder Mitarbeiter davon profitieren wird, großes Talent rund um sich zu haben. Denn am Ende sitzen doch alle im gleichen Boot, nicht wahr?

Guy Kawasaki, der in Frühzeiten des Apple Konzerns für die Vermarktung des MacIntosh verantwortlich war, zitierte in einem seither beinahe von jedem Personaler gebetsmühlenartig wiedergegebenen Satz, eine Aussage von Steve Jobs wie folgt: „A-Player stellen A-Player ein; B-Player stellen C-Player ein. Man mag diesen Satz für richtig halten oder kontrovers diskutieren, ein Körnchen Wahrheit steckt gewiss darin, dass es einen A-Player braucht, um einen anderen A-Player erkennen zu können.

Also fragen Sie Ihre besten Mitarbeiter, welche herausragenden Talente sie kennen und Sie werden feststellen: A-Player kennen genügend andere A-Player. Denn sie lieben es, an deren Seite zu arbeiten.

B.     Active Sourcing

Das andere Schlagwort der Stunde lautet Active-Sourcing. Dies steht vor allem als Synonym für die gezielte Suche und Ansprache in sozialen Medien von Talenten, die nicht aktiv auf der Suche sind, weil sie bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber grundsätzlich nicht unzufrieden sind.

Nach einer Studie von LinkedIn Talent Trends sind ungefähr 60 % der Nutzer grundsätzlich wechselwillig, während nur 12 % aktiv nach einer neuen Stelle suchen. Im sogenannten War for Talent wird daher die Mehrzahl der IT Talente täglich von mindestens einem Recruiter oder Headhunter kontaktiert. Viele sind daher als Selbstschutz dazu übergangen ihre Profile auf LinkedIn von Keywords zu bereinigen, um sich die unerfahreneren Recruiter vom Leibe zu halten.

Erfahrene IT Recruiter finden jedoch immer einen Weg die besten IT Talente zu finden. Der erfahrene IT Sourcer und Recruiter Jiri Herodek zeigt in seinem Vortrag „Tools to legally find candidates who don’t want to be found” Wege auf, wie Sie mittels Octohunt, Git-Awards und Data-Stackexchange die besten Kandidaten auf GitHub und Stack Overflow finden können. Dort bewegen sich Developer sozusagen in ihren natürlichen Gefilden, ohne stetig von Recruitern umworben zu werden. Duzende Tools wie Talentwunder, AmazingHiring und Pocketrecruiter können Sie dabei unterstützen, am Ende bleibt die Arbeit der Auswahl aber immer bei Ihnen.

Da sich auf LinkedIn sehr viele Recruiter tummeln, ist es zudem bedeutend einfacher, die Kandidaten per E-Mail anzuschreiben und auf deren GitHub oder Stack Overflow Profil Bezug zu nehmen.

Andere Tools dienen etwa der Talent Pipeline Automation. Diese können Ihnen dabei helfen, gezielt Talente auf Sie aufmerksam zu machen und langsam an Sie heranzuführen. Dieser Prozess kann sich automatisiert über mehrere Wochen oder gar Monate hin erstrecken. Dabei werden Kandidaten etwa Events von Ihnen vorgeschlagen, bekommen ausgewählte und personalisierte E-Mails und werden auf diese Art immer mehr für Ihr Unternehmen begeistert. Wenn Sie diese schließlich aktiv ansprechen, identifizieren sich diese schon zu einem guten Teil mit ihrem Unternehmen und sind bereit von Ihnen abgeworben zu werden.

Eine Aufgabe bei der Auswahl der Tools ist es gewiss, das richtige für Sie und Ihr Budget zu finden. Klein- und Mittelbetriebe tun sich naturgemäß schwer 5-stellige Beträge in die Hand zu nehmen und dazu noch die Zeit zu investieren, um die Abläufe zu implementieren.

Wenn Sie alle diese Strategien anwenden, dann müssen Sie nicht erst mit der Suche beginnen, wenn Sie eine Stelle nachzubesetzen haben. Sie werden bereits ein paar Kandidaten im Kopf haben, die dafür in Frage kommen. Und diese Kandidaten werden allesamt A-Player sein!

Eines sollten Sie jedoch beherzigen: Je fachspezifischer eine Position und je seltener diese besetzt wird, desto eher macht es Sinn sich professionelle Hilfe zu suchen.

Passive Kandidaten haben mehrere Vorteile

Mehr Motivation: Wenn Sie passive Kandidaten erst einmal zum Wechsel bewegen konnten, dann wegen einer Herausforderung, die ihnen aktuell fehlte. Sie werden alles daransetzen, Ihnen und sich selbst zu beweisen, dazu in der Lage zu sein.

Mehr Impact: Es ist einer LinkedIn Studie zufolge um 120% wahrscheinlicher, dass passive Kandidaten etwas bewirken wollen.

Wie man Top Talente für sich gewinnt

Aufgrund des großen Interesses an IT Talenten ist aber auch deren Abgebrühtheit sehr hoch. Sie müssen sich daher schon etwas einfallen lassen, um das Interesse der potentiellen Kandidaten zu wecken. Einfach nur einen Job anbieten, reicht daher schon lange nicht mehr aus. Sie müssen die Kandidaten begeistern und auf diese Art und Weise davon überzeugen, warum sie ausgerechnet Ihnen zuhören und bei Ihnen arbeiten sollten. Sehen Sie sich daher die Veröffentlichungen, die GitHub Projekte und das Stack Overflow Profil des jeweiligen Kandidaten genau an. Finden Sie interessante Projekte, gemeinsam gelagerte Technologien und Visionen. Aber vor allem: Interessieren Sie sich für die Persönlichkeit hinter dem Kandidaten!

Schon Dale Carnegie – der den Umgang mit Menschen zu seiner Lebensaufgabe machte und dessen Kursdiplom selbst Warren Buffet noch immer als eine seiner wichtigsten Errungenschaften stolz in seinem Arbeitszimmer hängen hat –  lehrte in „Wie man Freunde gewinnt“, dass die Kunst darin liegt, den Fisch mit einem Köder zu locken, der ihm schmeckt.

Auch sein Namensvetter Andrew Carnegie – der große Stahltycoon –, lernte schon früh, dass man von dem sprechen muss, was die andern gerne haben möchten, wenn man sie beeinflussen will. So soll seine Schwägerin einst in großer Sorge um ihre beiden Söhne gewesen sein. Diese waren in New York so sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, dass sie nicht daran dachten, nach Hause zu schreiben und schenkten den flehenden Briefen ihrer Mutter keinerlei Beachtung. Andrew Carnegie wettete, dass er die beiden Jungen postwendend zum Schreiben bewegen könne, ohne sie auch nur darum zu bitten. Die Wette wurde angenommen und Carnegie schrieb seinen Neffen einen freundlichen Brief, in dem er so nebenbei erwähnte, er lege für jeden fünf Dollar – für damalige Zeiten viel Geld – in den Umschlag. Dann schickte er den Brief „versehentlich“ ohne die versprochene Beilage ab. Postwendend trafen die Antworten ein. Man danke dem „lieben Onkel Andrew“ für sein Schreiben, aber leider… Den Rest des Satzes kennen Sie sicher!

Denken Sie also nicht so sehr daran, was Sie gerne möchten. Denken Sie beim nächsten Anschreiben vielmehr daran, was die Kandidaten möchten. Wertschätzen Sie ihre Zeit, machen Sie ihnen nur Angebote, die Sie in ihrer Position auch in Betracht ziehen würden und personalisieren Sie Ihre Nachrichten.

Sie werden erstaunt sein, wie viele Ihnen dadurch zuhören. Gerade A-Player sind immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen! Ihre Aufgabe ist es nur, eine solche zu bieten! Beinahe alle A-Player hören zu, wenn man sich für sie interessiert und ihnen eine Vision und Perspektive anbietet, die zu ihnen passen könnte. Probieren Sie es aus!

Definieren Sie die Rolle

Es gibt nicht den eierlegenden Wollmilchschwein-A-Player. Selbst der beste A-Player kann nicht alle Rollen in einem Unternehmen gleich gut beherrschen. Überlegen Sie daher immer, bevor Sie überhaupt mit der Suche beginnen, wie Sie Erfolg in der konkreten Rolle definieren und quantifizieren würden. Wenn Sie in 2 Jahren auf die Bilanz eines Kandidaten zurückblicken würden, wie würde diese aussehen? Welche qualifizierbaren und quantifizierbaren Ziele hätte dieser erreicht?

Alle großen Headhunter – von Geoff Smart bis Jeff Hyman – werden Ihnen dazu den selben Ratschlag geben: Bilden Sie eine Scorekarte mit 5 bis 10 Kernkompetenzen für einen potentiellen Kandidaten und verwenden Sie diese bei jedem späteren Interview für diese Position. Bewerten Sie jeden Bewerber in den geforderten Kernkompetenz in einem 1-10-Bewertungssystem, wobei nur eine 9 und 10 eine A-Player Bewertung ist.

Kandidaten mit einer Bewertung von 7 bis 8 gelten als A-Player-Potenzial. Jeder Kandidat unterhalb von 7 sollte aus dem Prozess eliminiert werden. Denken Sie daran, dass Sie einen A-Player suchen und sich nicht länger mit weniger zufrieden geben.

Gleich wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger ist der organisatorische bzw kulturelle Fit. Dabei handelt es sich allerdings nicht einfach um die gleichen Grundsätze, die Sie im Unternehmensleitbild oder in der allgemeinen Werteliste aufgelistet haben. Vielmehr handelt es sich dabei um die tatsächlich gelebten Persönlichkeitsmerkmale, die Ihre aktuellen A-Player gemeinsam haben. Das ist ihre DNA. Es ist ihre Kernpersönlichkeit. Google nennt diese DNA „googleyness“. Es handelt sich dabei um gewisse Persönlichkeitsmerkmale, die seit der Kindheit tief verwurzelt sind und die sich nicht leicht ändern lassen (wie etwa die Haltung gegenüber Arbeit, das Verhalten bei Herausforderungen, der Umgang mit Kritik und anderen Meinungen). Wenn diese Eigenschaften nicht eng mit der DNA Ihres Unternehmens abgestimmt sind, laufen Sie Gefahr Ihre Kultur zu schädigen.

Der grundlegende Unterschied zwischen DNA und Kompetenzen ist, dass sich Kompetenzen und Fähigkeiten verbessern lassen, aber die DNA nicht. Sie passt oder eben nicht.

Es ist zudem wichtig, dass Sie verstehen, dass sich die DNA eines A-Players grundlegend von jener anderer unterscheidet. Alle A-Player streben etwa nach Selbstverwirklichung und haben ein tiefes Bestreben, sich Herausforderungen zu stellen und Erfüllung in dem zu finden, was sie tun.

In gewissem Sinne können Sie sich die DNA als die Essenz und Seele Ihres Unternehmens vorstellen. Sie regelt, welche Aktionen und Einstellungen erwartet werden, welches Verhalten erwünscht ist, wie Mitarbeiter interagieren sollen und wie Informationen verteilt werden. Diese DNA kann sich zwar mit dem Wachstum Ihres Unternehmens weiterentwickeln, aber es ist wichtig, dass Sie sicherstellen, dass Ihre Mitarbeiter immer zur aktuellen DNA Ihres Unternehmens passen.

Bewerbungsgespräche strukturieren und standardisieren

Tricia Prickett und Neha Gada-Jain, zwei Psychologiestudenten an der Universität von Toledo, berichten in einer Studie, die sie gemeinsam mit ihrem Professor Frank Bernieri durchgeführt haben, dass in den ersten 10 Sekunden eines Bewerbungsgesprächs das Ergebnis vorhergesagt werden könne. Dazu wurden tatsächliche Bewerbungsgespräche auf Video aufgezeichnet und von Studenten nur anhand des ersten Eindruckes bewertet. Das einzige Problem dabei ist, dass diese Vorhersagen aus den ersten 10 Sekunden unbrauchbar sind.

Denn das gesamte restliche Bewerbungsgespräch dient ausschließlich dazu, zu bestätigen, was wir von jemandem halten, anstatt ihn wirklich zu bewerten. Dies nennt sich Bestätigungsvoreingenommenheit, also die Tendenz, Informationen auf eine Weise zu suchen, zu interpretieren oder zu priorisieren, die die eigenen Überzeugungen oder Hypothesen bestätigt. Basierend auf der geringsten Interaktion treffen wir ein schnelles, unbewusstes Urteil, das stark von unseren bestehenden Vorurteilen und Überzeugungen beeinflusst wird. Ohne es zu merken, wechseln wir dann von der Beurteilung eines Kandidaten zur Suche nach Beweisen, die unseren ersten Eindruck bestätigen.

Mit anderen Worten, die meisten Interviews sind Zeitverschwendung, da 99,4% der Zeit damit verbracht wird, den Eindruck zu bestätigen, den der Interviewer in den ersten zehn Sekunden bekommen hat.

Doch welche Interviewtechnik funktioniert?  Laszlo Bock entschuldigte sich im Vorfeld seiner Bucherscheinung für die, von vielen Firmen – und auch von Google zuweilen – verwendeten Fallinterviews und Denksportaufgaben. Dazu gehören Probleme wie: „Schätzen Sie, wie viele Tankstellen es in Manhattan gibt.“ Oder auch: „Wie viele Golfbälle würden in eine 747 passen?“. Eine unserer persönlichen Lieblingshassfragen ist: „Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?“  mit deren Antworten doch nie jemandem wirklich gedient ist.

Die Leistung bei solchen Fragen ist bestenfalls eine Fähigkeit, die durch Übung verbessert werden kann, wodurch ihr Nutzen für die Beurteilung von Kandidaten entfällt. Im schlimmsten Fall stützen sie sich auf triviale Informationen oder Erkenntnisse, die dem Kandidaten vorenthalten werden. Diese dienen in erster Linie dazu, dass sich der Interviewer klug und selbstzufrieden fühlt. Sie können kaum oder gar nicht vorhersagen, wie sich diese Kandidaten in einem Job entwickeln werden.

Bereits 1998 veröffentlichten Frank Schmidt und John Hunter eine Metaanalyse von 85 Jahren Forschung darüber, wie gut Bewertungen die Leistung vorhersagen. Sie untersuchten 19 verschiedene Bewertungstechniken und stellten fest, dass typische, unstrukturierte Vorstellungsgespräche ziemlich schlecht darin waren, vorherzusagen, wie sich jemand nach der Einstellung verhalten würde. Dennoch werden sie noch immer verwendet.

Unstrukturierte Interviews können nur 14% der Leistung eines Mitarbeiters erklären. Dies liegt etwas vor der Aussagekraft von Referenzprüfungen (7%) und der Anzahl der Jahre Berufserfahrung (3%).

Die beste Vorhersage für die Leistung einer Person in einem Job wird durch einen Arbeitsproben-Tests (29%) gewährleistet. Dies beinhaltet, dass den Bewerbern ein Beispiel für eine Aufgabe gegeben wird, die der Aufgabe ähnelt, die sie im Job erledigen würden, und dass ihre Leistung darin bewertet wird. Dies ist ein Grund dafür, warum Coding Challenges durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Selbst diese können die Leistung aber nicht perfekt vorhersagen, da die tatsächliche Leistung auch von anderen Fähigkeiten abhängt (zB davon, wie gut die Kandidaten schlussendlich mit anderen zusammenarbeiten, sich an Unsicherheiten anpassen und lernen).

Die zweitbesten Leistungsprädiktoren sind Tests der allgemeinen kognitiven Fähigkeiten (26%). Im Gegensatz zu Fallinterviews und Denksportaufgaben handelt es sich hierbei um tatsächliche Tests mit definierten richtigen und falschen Antworten, ähnlich wie bei IQ-Tests. Sie sind prädiktiv, da die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten die Lernfähigkeit umfassen und die Kombination von Intelligenz und Lernfähigkeit die meisten Menschen in den meisten Berufen erfolgreich macht.

Ebenso hohe Vorhersagekraft haben strukturierte Interviews (26%), in denen den Kandidaten eine konsistente Reihe von Fragen mit klaren Kriterien zur Beurteilung der Qualität der Antworten gestellt wird. Es gibt zwei Arten von strukturierten Interviews: Verhaltens- und Situationsinterviews. In Verhaltensinterviews werden die Kandidaten gebeten, frühere Erfolge zu beschreiben und diese mit den Anforderungen des aktuellen Jobs abzugleichen (etwa „Erzählen Sie mir davon, als Sie das letzte Mal vor einem schwierigen Problem standen. Wie sind Sie vorgegangen? Was würden Sie heute anders machen …?“). Situationsinterviews stellen eine berufsbezogene hypothetische Situation dar („Was würden Sie tun, wenn …?“). Ein gutes Interview ist dadurch geprägt, dass sich der Interviewer eingehend mit den Denkprozessen, die hinter den vom Kandidaten erzählten Geschichten stehen, befasst. Denn durch vergangenes Verhalten lassen sich durchaus gute Rückschlüsse über zukünftiges Verhalten treffen. Vor allem, wenn man diese mit der Reflexionsfähigkeit und dem Lernbewusstsein des Kandidaten verknüpft. Versuchen Sie das Wesen des Kandidaten zu ergründen, seine Denkweise zu verstehen und sein Verhalten für Ihr Unternehmen zu antizipieren.

Strukturierte Interviews sind sogar für Jobs, die selbst unstrukturiert sind, ein guter Vorhersagemaßstab. Zudem stellte man bei Google fest, dass sowohl Kandidaten als auch Interviewer eine bessere Erfahrung machen und diese Interviews als am fairsten empfunden werden.

Warum werden sie dann nicht von mehr Unternehmen genutzt, fragen Sie sich nun vielleicht. Nun, weil sie schwer zu entwickeln sind: Sie müssen zuerst erarbeitet werden, ausführlich getestet und zudem muss auch sichergestellt sein, dass sich die Interviewer an sie halten (das macht man bei Google durch eine Art Peer-Reviews). Und dann müssen Sie auch noch kontinuierlich aktualisiert werden, damit die Kandidaten keine Notizen vergleichen und die besten Antworten einfach auswendig lernen können.

Google selbst vereint gar Verhaltens- und Situationsinterviews mit Tests der allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, Gewissenhaftigkeit und Führungsfähigkeiten.

Es steckt also viel Arbeit in einem guten Interviewprozess, aber die Alternative besteht darin, die Zeit mit einem unstrukturierten Interview und dem reinen Verlass auf das Bauchgefühl zu verschwenden. Wollen Sie wirklich mit so viel vergeudeter Zeit dafür bezahlen? Schließlich könnten Sie dann genauso gut nach 10 Sekunden jedes Interview abbrechen und sowohl Ihnen als auch dem Kandidaten die restlichen 59 Minuten und 50 Sekunden ersparen.

Nur wenn Sie diese Struktur in Ihr Bewerbungsgespräch einbringen, können Sie am Ende auch Ihrem Bauchgefühl vertrauen. Denn Sie haben vorher die subjektiven Faktoren vollumfänglich ausgesiebt.

Am Ende stellt die Personaleinstellung zwar eine Kunst dar – geht es doch um menschliche Interaktion, Gespür und Antizipation –, doch ohne die wissenschaftlichen und fundierten Grundlagen, können Sie bei der Suche nach den besten IT Talenten nicht vorgehen. Hätte Michelangelo nicht in jahrelanger Ausbildung die Grundlagen und die Arbeitsweise der Bildhauerei erlernt, dann würde heute wohl kaum die Anmutung des berühmten Davids von Besuchern aus aller Welt bewundert werden.

Also schaffen Sie Vergleichbarkeit und Struktur und vor allem eines: Eine willkommene und positive Stimmung im Gespräch. Nicht jeder Kandidat passt in Ihr Unternehmen – und das ist auch gut so und ebenso wichtig herauszufinden –, aber Sie können jeden mit dem Gefühl aus dem Bewerbungsgespräch entlassen, gerne bei Ihnen gearbeitet haben zu wollen. Denn schon Warren Buffett sagte: „Es dauert 20 Jahre, um sich eine Reputation aufzubauen und 5 Minuten, um sie zu zerstören.“

Die meisten Kandidaten berichten davon, dass ihre letzte richtig positive Erinnerung an ein Bewerbungsgespräch schon sehr lange her sei. Sell first, screen second! Verkaufen Sie zuerst Ihre Vision – denken Sie immer daran, dass A-Player zumeist passive Kandidaten und daher nicht auf Ihr Angebot zwingend angewiesen sind – aussortieren können Sie später immer noch!  Ihr Ziel muss jedenfalls sein: So positiv wie möglich in Erinnerung zu bleiben. Denn im schlimmsten Fall lehnt zwar der konkrete A-Player das Angebot ab, empfiehlt Ihnen aber einen passenden anderen A-Player. Vergessen Sie nie, dass für die Kandidaten immer mehr auf dem Spiel steht als für Sie. Sie haben zwar eine Vielzahl an Mitarbeitern, aber jeder Kandidat hat nur einen Job.

Leute einstellen ist eine Kunst, keine Wissenschaft, und kein Lebenslauf kann Ihnen sagen, ob jemand zu Ihrer Unternehmenskultur passt.

Howard Schultz

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